Christenverfolgung |
Die Vorgeschichte |
Entwicklung von Urgemeinde und UrchristentumQuelle: http://www.geocities.com/stiegelmeyr/Urchristentum.htm I. 1. "Urchristentum" ist eine Sammelbezeichnung für die Christenheit der ersten zwei bis drei Generationen nach dem Tode Jesu und den Ostergeschehnissen (Auferstehung I 1), also von etwa 30 bis um 100 n. Chr. Genau umgrenzen läßt sich das Urchristentum weder chronologisch noch geographisch; vor allem ist die sachliche Abgrenzung ein Problem, weil das Wort „Urchristentum" im kirchlich-theologischen Sprachgebrauch auch normativen Klang hat, insofern als die christliche Kirche im Urchristentum ihr grundlegendes, normsetzendes Erststadium sah und sieht. So beruht die Darstellung der verschiedenen Linien und Zweige des Urchristentums auf den Zeugnissen, die in den neutestamentlichen Schriften kanonisch geworden sind, ohne dass verwandtes, z. T. kaum jüngeres Schrifttum ausgeschlossen werden kann; auch können Bewegungen, die nicht auf die spätere (frühkatholische) Kirche zulaufen, und innere Gegenbewegungen aus dem geschichtlichen Bild nicht ausgeschlossen werden. Doch meint „Urchristentum" die Epoche der normierenden Traditionsbildung und der Formierung des werdenden Christentums zur„ Kirche" (unten IV 4). 2. Als „Urgemeinde" wird die erste sich nach den Ostergeschehnissen sammelnde Gruppe von Jesus-Anhängern in Jerusalem bezeichnet, auf die in der einen oder anderen Weise alle Richtungen des Urchristentums (und damit der Kirche überhaupt) zurückgehen. Meist versteht man unter Urgemeinde die Jerusalemer Gemeinde bis zu ihrem Ende um das Jahr 70 (Il 5). Manche Forscher rechnen auch mit einem zweiten, von Jerusalem unabhängigen Anfang des Urchristentums: in Galiläa, dem hauptsächlichen Wirkungsbereich Jesu; dort sei nach Jesu Tod seine Verkündigung weitergeführt worden (nach einigen: ohne eigentlichen "Osterglauben"). Doch fehlen für diese Annahme einer „galiläischen Urgemeinde" immer noch ausreichende Anhaltspunkte, zumal der Kern der Jerusalemer Urgemeinde von den aus Galiläa stammenden Jesusjüngern um Petrus gebildet wurde. II 1. Die geschichtliche Darstellung muss also bei der Jerusalemer Urgemeinde einsetzen. Freilich kann nicht einfach das von Lukas in Apg 1-15 gegebene Bild nachgezeichnet werden, da dieses - etwa 50 Jahre nach den Anfängen aufgrund lückenhafter Überlieferungen gestaltet - die komplizierten geschichtlichen Vorgänge z. T. nur indirekt erkennen lässt. Aus verstreuten Angaben bei Paulus (z. B. Gal 1-2) kann manches entnommen werden; doch ist ohne hypothetische Rekonstruktion in keinem Fall auszukommen. 2. dass Jesus die Gründung einer „Kirche" bewusst ins Auge gefasst und vorbereitet hätte, ist nicht wahrscheinlich. Aber sein Wirken hatte sehr bald nach seinem Tode das Entstehen von Kirche zur Folge. Bei seinem Tode scheint der Kreis seiner Jünger zunächst auseinandeг gebrochen und nach Galiläa zurückgekehrt zu sein (Mk 14,50; 16,7; Joh 21,2). Insofern bewirkten die Ostererscheinungen einen völligen Neubeginn: zuerst Petrus, dann die „Zwölf" und andere erlebten Vorgänge, die sie nur als Begegnungen des gekreuzigten, aber von Gott aus den Toten auferweckten Herrn Jesus mit ihnen verstehen konnten. Solche Ostererlebnisse haben sich über einige Zeit hin wiederholt und erfassten auch Gegner Jesu wie seinen Bruder Jakobus oder Paulus (1.Kor 15,5-8). 3. Der erste Osterzeuge war Simon, dessen Beiname Petrus (= aramäisch Kephas' [1.Kor 15,5] = ,Fels`) damit zusammenhängen dürfte, dass sich um ihn die Jünger wieder sammelten und damit den Kern der Kirche bildeten (Mt 16,18). Das geschah vermutlich in Galiläa (Mk 16,7; anders Lk 24), von wo aus die „Zwölf" unter seiner Führung sehr bald wieder nach Jerusalem zogen. Dort sind wohl die weiteren Ostererscheinungen zu lokalisieren, so vor allem die Erscheinung des Herrn vor „über 500 Brüdern" (1.Kor 15,6), die wahrscheinlich den historischen Kern der Pfingstgeschichte (Apg 2) bildet. Jedenfalls vollzog sich mit diesem Vorgang die Erweiterung des Kreises über den der früheren Jünger Jesu hinaus auf solche, die ihm noch nicht angehangen bzw. ihn gar nicht gekannt hatten. Dies ist die eigentliche Entstehung der Urgemeinde. Aus der Notwendigkeit, denen, die Jesus nicht gekannt hatten, zu sagen, wer er war und welche Botschaft er gebracht hatte, entstand die Predigt von Jesus als dem „Messias". Die sich um diese Verkündigung sammelnden Jesus-Anhänger hatten zwar eigene Zusammenkünfte, verstanden und verhielten sich aber weiterhin als Teil der jüdischen Tempelkultgemeinde; ihre Predigt (nach Apg 3,1ff.; 5,20 usw. im Tempelvorhof) richtete sich an die Juden, ohne dass die Absicht einer organisatorischen Verselbständigung bestand. Doch mußte die Proklamation des vom Synhedrium für todeswürdig befundenen Jesus als „Messias" Anstoß erregen; das Synhedrium reagierte mit Verhören und Predigtverbot für die Männer um Petrus (Apg 3-5), neben dem vor allem die beiden Zebedäus-Söhne Johannes und Jakobus hervorgetreten zu sein scheinen (dieser Jakobus wurde schon vor 44 von Herodes Agrippa hingerichtet: Apg 12,2). Auch Paulus bezeugt, dass Petrus in dieser ersten Phase die Urgemeinde leitete (Gal 1,18 f; anders dann Gal 2,9). – Über die Lebensformen der Urgemeinde wissen wir sonst kaum etwas; das von Lukas in den sog. „Summarien" (Apg 2,41-47; 4,32-35; 5,11-16) vermittelte Bild ist literarisch geformt, unter Benutzung von einzelnen Nachrichten (z. B. Apg 4,36f.), deren Zuordnung zu dieser ersten Phase z. T. unsicher ist. 4. Schon unter den ersten Neugewonnenen scheinen sich Juden aus der Diaspora befunden zu haben (Apg 2,5 ff .), deren Umgangssprache das Griechische war und die manche ihrer besonderen, im Kontakt mit der Kultur des - Hellenismus (2) ausgebildeten Anschauungen durch das, was sie über Jesus hörten, bestätigt, ja wohl erst wirklich begründet fanden. Es handelt sich um die Gruppe hellenistisch-jüdischer Christen unter der Leitung der „Sieben" (Apg 6,5; 21,8), unter denen Stephanus, später Philippus der „Evangelist" als führende Köpfe hervorragten. Nach Apg 6,1 ff. scheint der Ausschluß der griechischsprechenden Witwen aus der öffentlichen Armenversorgung diese Gruppe genötigt zu haben, sich auch organisatorisch vom Judentum zu trennen und zu verselbständigen. (Um einen innergemeindlichen Zwist dürfte es sich kaum gehandelt haben.) Lukas versucht, die „Sieben" als ein auf karitative Tätigkeit beschränktes Gremium unter der Oberaufsicht der "Apostel" um Petrus darzustellen (Apg 6,2-4); doch widerlegt alles weiter über Stephanus und Philippus Berichtete (Apg 6-8) dieses Bild. Stephanus predigt eigenständig, disputiert mit anderen hellenistischen Juden und erweist sich durch "Zeichen und Wunder" als Apostel im urchristlichen Sinne (Apg 6,8ff.). Seine Verkündigung geht inhaltlich über die des Petrus weit hinaus: er bestreitet die Bedeutung des mosaischeп Gesetzes und des Tempels (Apg 6,13), das besagt, dass er unter Berufung auf Jesus die Besonderheiten des Judentums, durch die es sich aus den „Völkern" (Heiden) herausgehoben wusste, in Frage stellte. Für jeden frommen Juden war das Gotteslästerung, die gemäß 3.Mose 24,16 mit Steinigung zu bestrafen war. So erklärt sich der Akt von spontaner „Lynchjustiz" im Anschluss an eine Verhandlung vor dem Synhedrium (Apg 6,11ff.; 7,56), wodurch Stephanus zum ersten Märtyrer der Christusbotschaft wurde. Die daraufhin einsetzende Verfolgung richtete sich gleichfalls vor allem gegen diese Gruppe der hellenistisch-jüdischen Christen; sie verließen Jerusalem (Apg 8,1-4; 11,19), während die "Apostel", d.h. die Männer um Petrus, bleiben konnten (Apg 8,1). So wurde das Ende der Gruppe um die "Sieben" in Jerusalem zugleich zum Beginn einer Mission, die in der Folge immer bewusster über die Grenzen des Judentums hinausführte (III 3). 5. Unter den in Jerusalem verbleibenden Jesus-Anhängern gewann der Herrenbruder Jakobus zunehmend an Einfluss. Er gehörte schon beim ersten Jerusalem-Besuch des Paulus zur Gemeinde (Gal 1,18); vierzehn Jahre später, beim sog. „Apostelkonzil" (Apg 15), hatte er offenbar die Führungsposition unter den nun so genannten „Säulen" inne (Gal 2,9: Jakobus, Kephas und Johannes). Unter dem Einfluss christgewordener Pharisäer (Apg 15,5) hielten sich die Christen Jerusalems noch bewusster als zuvor an das mosaische Gesetz und den Tempelkult. Während Jakobus auf dem „Apostelkonzil" dem Paulus noch die Heidenmission zugestand (Ga12,7), scheinen sich in Jerusalem je länger je mehr diejenigen durchgesetzt zu haben, die für alle Christen die Beschneidung, also den vollen Übertritt zum Judentum forderten (Apg 15,1.5; 21,21; Gal 2,3-5) und anderenfalls keine Gemeinschaft zwischen jüdischen und heidnischen Christen anerkannten (Ga12,12f.). Als sich die Urgemeinde so zum Judenchristentum (im engeren Sinne des Wortes) entwickelte, hat auch Petrus, der den Kontakt zu den Missionaren der „Sieben" und zu Paulus nicht abbrach, Jerusalem verlassen (Apg 12,17?) und ist wohl nach Antiochien gegangen; in seiner Haltung blieb er jedoch unsicher (Gal 2,11 ff .). – Die Missionstätigkeit der judenchristlichen Jerusalemer Gemeinde scheint sich bewußt auf Juden beschränkt zu haben (Apg 21,20); von der Art ihrer Predigt, vor allem ihrer Christologie, haben wir keine wirkliche Vorstellung. Jedenfalls verstand sie sich als messianische Bewegung innerhalb des Judentums. Jakobus wurde nach dem Bericht des Josephus (Jüd. Altertümer XX 200) trotz seiner offenkundigen Gesetzestreue zusammen mit anderen Christen im Jahre 62 verurteilt und gesteinigt. Die Jerusalemer Gemeinde scheint bald darauf, vielleicht bei Ausbruch des jüdischen Aufstands gegen Rom (66 n.Chr.), nach Pella in Transjordanien ausgewandert zu sein; damit oder spätestens mit dem Untergang Jerusalems und des Tempels (70 n. Chr.) endet die Geschichte der Urgemeinde. III 1. Die Geschichte des Urchristentums außerhalb Jerusalems bis etwa zur Jahrhundertwende kann nur in Umrissen angedeutet werden, zumal auch hier die lückenhafte Überlieferung viele Probleme aufgibt, die in diesem Rahmen nicht näher diskutiert werden können. 2. In Palästina wurde die Jesusbotschaft von mindestens zwei verschiedenen Gruppen weitergetragen. Die Verkündigung der einen von ihnen, einer Gruppe von Wanderpropheten, geht inhaltlich auf die Verkündigung Jesu selbst zurück und orientiert sich an überlieferten „Herrenworten" (Logien); diese Tradition steht hinter der aus den Synoptikern (1) erschlossenen Redenquelle Q (Logienquelle). Die Benutzung dieser Jesustradition legt es nahe, diese Gruppe mit der Urgemeinde um Petrus und die Zwölf (II 3) in Zusammenhang zu sehen, sofern man nicht an eine völlig selbständige, von Galiläa ausgehende Jesusbewegung denken will (I 2). Die Wanderpropheten wollten Israel vor dem für bald erwarteten Anbruch der Gottesherrschaft (Reich Gottes) zur Umkehr rufen, ohne dabei Heiden grundsätzlich auszuschließen. Sie waren wohl weniger am mosaischen Gesetz als an Jesu Proklamation des Gotteswillens in Güte und Liebe - bis hin zur Feindesliebe - orientiert. Jesu Wiederkunft wurde als Ankunft des himmlischen Weltenrichters in Gottes Auftrag erwartet. Wandermissionare dieser Richtung wirkten zunächst in Judäa und Galiläa, wohl auch in Samarien; noch nach 100 n. Chr. scheinen sie im syrischen Raum tätig gewesen zu sein (Didache III 11 vgl. auch III 9). 3. Die andere missionarisch wirksame Gruppe waren die aus Jerusalem vertriebenen Anhänger des Kreises der „Sieben« (II 4). Von ihnen scheint Philippus u. a. in Samarien gewirkt und sich später in Cäsarea am Meer niedergelassen zu haben (Apg 8,40; 21,8). Andere Missionare kamen nach Phönizien, Zypern und nach Antiochien in Syrien (Apg 11,19); auch die Gemeinde in Damaskus (Apg 9,2ff.) dürfte auf sie zurückgehen. Gemäß ihrem theologischen Ansatz (II 4) predigten sie grundsätzlich nicht nur Juden und dem Judentum schon Nahestehenden (z.B. Apg 8,27ff.), sondern je länger je mehr auch Heiden (Apg 11,20), ohne von diesen den Übertritt zum Judentum als Voraussetzung der Zugehörigkeit zur Jesusgemeinde zu verlangen. dass die Glieder der so entstandenen Gemeinde in Antiochien erstmals „Christen" genannt werden (Apg 11,26), zeigt, dass sie sich bewußt als neue, eigenständige Größe außerhalb der Synagogalgemeinde verstand. 4. Eine wichtige Rolle in der frühen Geschichte des Urchristentums scheint Joseph Barnabas, ein aus Zypern gebürtiger Jude (Apg 4,36), gespielt zu haben. Als Mittler zwischen Petrus und der in Antiochien entstandenen Gemeinde scheint er dorthin gegangen zu sein; er hat auch Paulus nach Antiochien geholt (Apg 11,22 ff .); von dort aus ist er dann als Missionar tätig geworden, zunächst gemeinsam mit Paulus (Apg 13,1ff.). 5. Antiochien war der Ausgangspunkt der Mission, die weiter nach Kleinasien und dann nach Europa führte. Paulus wurde von dort zunächst als Mitarbeiter des Barnabas ausgesandt und wirkte mit ihm gemeinsam auf Zypern, in Pisidien und Lykaonien. Später machte er sich unabhängig (möglicherweise hängt der Zwist mit Barnabas Apg 15,36ff. mit dem in Gal 2,12ff. Berichteten zusammen), suchte sich in Silas (Silvanus), Timotheus und (später?) Titus eigene Mitarbeiter und gelangte auf zwei großen Missionsreisen zunächst durch das mittlere Kleinasien bis nach Mazedonien und Achaia, später dann nach Ephesus und nochmals nach Griechenland. Die von ihm u. a. in Philippi, Thessalonich, Korinth, Ephesus gegründeten Gemeinden bestanden wohl überall im Kern aus christgewordenen Juden, umfaßten aber stets auch ehemalige Heiden. Paulus selbst verstand seine Arbeit ausdrücklich als Sendung an die Heiden (Gal 1,16); in den von ihm gegründeten Gemeinden ließ er keine getrennte Gruppierung von ehemaligen Juden und Heiden zu (Gal. 3,28; 1.Kor 12,13). Auf dem sog. „Apostelkonzil", auf dem er noch mit Barnabas gemeinsam auftrat, hatte er auch von Jakobus und Petrus die grundsätzliche Zustimmung zu seinem Vorhaben, Heiden ohne den Umweg über das Judentum zum Christusglauben zu rufen, erhalten; dass Petrus und Barnabas später, auf Druck von Abgesandten des Jakobus, die von ihnen mitvollzogene volle Gemeinschaft von Juden- und Heidenchristen wieder aufkündigten, war für ihn ein schwerer Schlag (Gal 2,12ff.); das Grundsatzproblem war also noch keineswegs geklärt. Doch bemühte sich Paulus auch später noch, mit Hilfe einer Geldsammlung die Zusammengehörigkeit der Heidenchristen mit der Gemeinde in Jerusalem bewußt zu machen (2.Kor 8-9; Röm 15,25-27). – Die weltgeschichtliche Bedeutung des Paulus läßt sich dreifach beschreiben: (1) Unter vollem Lebenseinsatz trug er die Christusbotschaft in wenigen Jahren durch mehrere Provinzen des Imperium Romanum (seine strategische Planung reichte sogar bis nach Spanien als dessen westlichstem Gebiet: Röm 15,24). (2) Er setzte in den von ihm gegründeten Gemeinden die Gemeinschaft von Juden und Heiden durch, was zugleich die Verselbständigung der Christusgemeinden gegenüber den jüdischen Synagogalgemeinden bedeutete. (3) Er durchdachte theologisch das Konzept einer angesichts des Christusgeschehens als Einheit zu verstehenden Menschheit (Röm 1-11) und formulierte die Christusbotschaft gültig als Botschaft von der Rechtfertigung. 6. Schon ehe Paulus mit der Christusbotschaft nach Europa gelangte, gab es in Rom Christen, aber zunächst innerhalb der Synagogalgemeinde. Denn Auseinander-setzungen innerhalb der römischen Judenschaft, bei denen der Name Chrestos (wohl = Christus) eine Rolle spielte, erregten solche öffentliche Unruhe, dass sich Kaiser Claudius im Jahre 49 veranlaßt sah, Juden aus Rom auszuweisen. Zwei von ihnen, das christliche Ehepaar Aquila und Priskilla, hatten sich schon vor Paulus' Ankunft in Korinth niedergelassen und boten ihm die Basis für seine dortige Arbeit (Apg 18,1 f.). In den nächsten Jahren hat sich in Rom eine christliche Gemeinde neu gebildet (Paulus bereitet mit seinem Römerbrief den Besuch bei dieser Gemeinde vor); später gilt Petrus als ihr erster Bischof. Der 1. Klemensbrief bezeugt um 100 Kontakte zwischen der römischen und der korinthischen Gemeinde. 7. Auch nach Alexandríen scheint die Jesusbotschaft sehr früh gelangt zu sein, vielleicht (wie wohl auch in Rom) durch hellenistisch-jüdische Christen der Stephanus-Richtung (II 4). Jedenfalls scheint Apollos schon als Jesus-Bekenner von dort nach Ephesus gekommen zu sein (Apg 18,24 ff .), von wo aus er - nach weiterer Unterweisung durch die inzwischen hierhin übersiedelten Priskilla und Aquila - als Lehrer nach Korinth ging; Paulus erkennt seine Arbeit dort an, auch wenn er der wohl von ihm gelehrten, an alexandrinisch-jüdisches Denken anknüpfenden Christus-Weisheit kritisch gegenübersteht (1.Kor 1-4). – In Alexandrien könnten später der Hebräer- und der Barnabasbríef entstanden sein; vom Christentum dort zeugt u. a. ein neutestamentlicher Handschriftenfund aus dem frühen 2. Jahrhundert sowie die um 180 schon fest etablierte theologische Schule. Zugleich ist aber in Aleкandrien bzw. Ägypten eine Neigung zur Gnostisierung des Christentums erkennbar, die noch bis ins 3. Jahrhundert hinein keine scharfe Grenzziehung zwischen chrístianisierter Gnosis und eindeutig antignostischer kirchlicher Theologie erkennen läßt. 8. Auch im sog. „paulinischen Missionsgebiet" sind neben Paulus andere Christusboten wirksam (vgl. Phil 1,15ff.), die sich zum Teil gegen Person und Arbeit des Paulus wenden (z. B. 2.Kor 10-12), zum Teil aber auch seiner theologischen Grundentscheidung (III 5) direkt widersprechen und schon gewonnene Heidenchristen zur Beschneidung, also zum Eintritt in das Judentum, nötigen wollen (bes. Gal 3-5; Phil 3). Hier könnte es sich um eine gezielte Gegenmission von Jerusalem (II 5) aus handeln, der Paulus entsprechend scharf entgegentritt. Doch wird man nicht alle Auseinandersetzungen, die in den Paulusbriefen erkennbar sind, auf eine innerlich einheitliche und gezielt gegen Paulus vorgehende Front beziehen dürfen; vielmehr wird man mit einer Pluralität missionarischer Aktivitäten zu rechnen haben. 9. Gegen Ende des 1. Jahrhunderts wirkt auch ein Vertreter des syrischen Wanderprophetentums - Il 2), der Seher Johannes (IV), in Kleinasien und bemüht sich, mit seiner Apokalypse (der "Offenbarung des Johannes") von Patmos aus bei den Gemeinden Gehör zu finden (Offb 1-3). Seine apokalyptisch geprägte Predigt ist auch als Reaktion auf die unter Kaiser Domitian beginnende Verfolgung von Christen (und anderen Verweigerern des gerade in Kleinasien propagandistisch und repressiv wirksamen Kaiserkults) zu sehen; seine Ankündigung des baldigen Weltendes soll der bedrängten Gemeinde Trost und Ermutigung zum Durchhalten geben. 10. Im übrigen wird gegen Ende des 1. Jahrhunderts in den Gemeinden Syriens, Kleinasiens, Griechenlands und Roms aus den deuteropaulinischen Briefen (Kolosser- und Epheserbrief, bes. Pastoralbriefe;) und anderen Schriften dieser Zeit (1. Petrus- und 1. KLemensbrief; Briefe des Ignatius von Antiochien) die Ausbildung gemeindlicher Organisationsformen deutlicher sichtbar. Zwei aus der Umwelt übernommene Modelle (das jüdische einer kollegialen Presbyterialverfassung und das hellenistische, bei dem ein Episkopos als Gemeindeleiter [Bischof] eine Gruppe von Diakonen neben sich hat) scheinen sich allmählich aneinander anzugleichen, so dass der Episkopos zum Leiter des Presbyterkollegiums wird und zugleich auch mehr und mehr geistliche Funktionen auf sich versammelt (Entwicklung eines priesterlichen Verständnisses vom kirchlichen Amt und Ausbildung der Unterscheidung von Klerikern und Laien). 11. Im palästinisch-syrischen Gebiet wird in den letzten Jahrzehnten des 1. Jh. die Jesusüberlieferung, die bis dahin außer in mündlicher Form nur in kleineren Einzelsammlungen vorlag, zusammengefaßt; es entstehen die synoptischen Evangelien - Synoptiker), zunächst das des Markus, dann - auf ihm aufbauend und weiteres Material, vor allem aus der Redenquelle Q (III 2), einarbeitend - die des Lukas und des Matthäus. Die Zusammenführung solcher z. T. verschiedenartiger Traditionen bedeutet zugleich die Konsolidierung des Zusammenhalts von Gemeinden verschiedener Prägung. Zugleich spiegeln die Evangelien auch die geistige Eigenart und theologische Konzeption ihrer Autoren wider. Markus will den ans Kreuz gehenden Jesus als Gottessohn zeigen (Mk 15,39); Evangelium und Apostelgeschichte des Lukas zeigen einen mit literarischer Bildung und historischer Absicht schreibenden hellenistischen Autor, der das Christentum einer gewissen Bildungsschicht (in einer Stadt wie Antiochien) repräsentiert; Matthäus schildert Jesus vor allem als den Lehrer seiner Gemeinde („Bergpredigt" Mt 5-7 usw.). Die verschiedenen, z. T. fast gegensätzlichen Traditionen, die er aufnimmt, zeigen die Situation der Gemeinden, wie man sie sich für den syrischen Raum in dieser Zeit ohnehin denken muß: Christen der Stephanus-Richtung, die den Christusglauben zuerst nach Antiochien brachten – III 3) und eine „gesetzesfreie" Predigt des Evangeliums vertreten, treffen zusammen mit Christen des von den Wander-propheten geprägten Typs (III 2), die manches Traditionsgut jüdischer Frömmigkeit in die Gemeinde einbringen, ohne aber eine Grenze zwischen Heiden- und Judenchristen zu ziehen (ähnlich auch die bald nach 100 geschriebene „Didache" = „Lehre der zwölf Apostel"). Matthäus sieht diese Strömungen geeint in der Ausrichtung des Evangeliums auf die Weltvölker („Heiden", Mt 28,18-20) und in der Anerkennung des Petrus als „Fundament" der Kirche (Mt 16,17-18; Petrus gilt später als erster Bischof Antiochiens). 12. Zur gleichen Zeit und etwa im gleichen, nordpalästinisch-syrischen Raum vollzieht sich ein weiterer geschichtlich wichtiger Vorgang: die Berührung zwischen Urchristentum und sich entwickelnder Gnosis (vgl. auch III 7), die zunächst zu einem Sich-Einlassen christlicher Predigt auf gnostische Sprache, dann aber zu einer deutlichen Trennung führt. Das ist die Geschichte der „johanneischen Gemeinden", d. h. derjenigen Richtung des Urchristentums, die im Johannesevangelium und den Johannesbriefen sichtbar wird. Die (spätere) Zuweisung dieser Schriften an den Jesusjünger Johannes ist historisch unzutreffend; wie die Überlieferungslinie von der Urgemeinde zu den „johanneischen" Gemeinden wirklich verläuft, ist bisher ungeklärt; vielleicht führte sie von der Gruppe der „Sieben" über Samarien (wo Philippus missionierte) nach Syrien hin. Hier entwickelt nun der für uns anonyme Theologe, den wir „Johannes" nennen, ein Christusbild, das die Identität des Gottessohnes mit dem irdischen Menschen Jesus zwar festhalten will, zugleich aber die Christusgestalt in ein Licht rückt, das sie „anfällig" macht für eine gnostische Interpretation, die den (himmlischen) Christus ganz vom (irdischen) Jesus scheidet; solche „doketische" Christologie ist Ausdruck einer weltfeindlichen grundsätzlichen Trennung von Schöpfung und Erlösung, von Welt und Heil Gnosis). Die „johanneische Gemeinde", die nicht in die Gnosis abwandert, reagiert auf solche Fehlentwicklung, indem sie nun betont an der Identität von Jesus und Christus und damit von Schöpfer- und Erlösergott festhält (Joh 1 und die Endfassung des Johannesevangeliums; ausdrückliche Abweisung der "Irrlehrer" in 1.Joh 2,22; 4,1-3); sie verbleibt so im Gesamtrahmen des Urchristentums, ohne doch ihre spezifische Prägung zu verlieren. (In ähnlicher Sprachtradition, ohne direkte Abhängigkeit vom Johannesevangelium, steht auch Igпatius von Antíochien, der bald nach 100 seine Briefe schreibt.) IV Die Hauptprobleme, die sich dem Urchristentum stellten, lagen auf dem Gebiet (1) der Christologie, (2) der Eschatologie, (3) der Stellung zum Judentum und (4) der Entwicklung zu einer sich selbständig organisierenden Kirche hin. Diese Probleme können hier nur angedeutet werden. 1. Die Jünger Jesu, die ihn als den Heilsboten Gottes erfahren hatten, wurden wie jeder fromme Jude durch Jesu Tod am Kreuz vor die Frage gestellt, ob nicht dieser Tod als Fluchtod (5.Mose 21,23!) die Widerlegung seines Anspruchs war, die Gottesherrschaft und den guten, gnädigen Willen Gottes zu verkünden. Die Ostergeschehnisse gaben ihnen dennoch die Gewißheit, dass sich Gottes heilvoller Wille gerade in dem vor der Welt Gescheiterten, von seinem Volk Verstoßenen offenbart habe. So lernte das Urchristentum, vor allem aus der paulinischen Theologie, das Kreuz als Zeichen des Heils, den Tod Jesu als heilwirkenden Sühnetod oder als stellvertretend für "unsere Sünden" ertragene Strafe zu verstehen (Paulus durchdachte diese Kreuzes-Christologie am tiefsten; Gal 3-5 usw.). Damit ging Hand in Hand, dass immer mehr Titel der jüdischen Messiaserwartung sowie andere, auch von der nichtjüdischen Umwelt vorgegebene und ihr verständliche Würdebezeichnungen für Jesus in Anspruch genommen wurden. 2. Dieses Verständnis Jesu bedeutete zugleich, dass Gottes Heilszeit nicht mehr nur als die für eine (nahe oder ferne) Zukunft erhoffte, sondern als mit Kreuz und Auferweckung Jesu schon angebrochene Epoche anzusehen war. Die Eschatologie des Urchristentums bewegte sich daher in der Spannung zwischen einer hochgespannten "Naherwartung", nach welcher auf den verborgenen Anbruch des neuen Äons auch der offenbare mit der Parusie (Wiederkunft) Jesu Christi alsbald folgen sollte, und einer enthusiastischen Auffassung, nach welcher die Glaubenden schon jetzt in einem Vollendungs- und Erlösungszustand lebten, dem gegenüber die unerlöste "Welt" einfach negiert wurde (daher die "Anfälligkeit" mancher Richtungen des Urchristentums für gnostisches Denken). Es fiel nicht leicht, das "Schon" und das "Noch nicht" der in Jesus Christus geschehenen Erlösung so in ein Verhältnis zueinander zu setzen, dass weder die Heilstat Gottes in Kreuz und Auferweckung verleugnet noch auch die Realität der Unerlöstheit der Welt illusionär übersprungen wurde; auch hier leistete Paulus die entscheidende theologische Denkarbeit (vgl. auch Apokalyptik 112). 3. An der Frage nach der Möglichkeit, von einem Anbruch göttlichen Heils mitten in einer unveränderten, unerlösten, ja gottfeindlichen Welt zu reden - anders gesagt: ob es gottgemäß oder aber gotteslästerlich sei, in dem menschlich gesehen gescheiterten Propheten Jesus von Nazareth den endzeitlichen Heilsboten und "Messias" zu sehen und zu bekennen -, schieden sich (und scheiden sich bis heute) Christentum und Judentum. Deshalb war auch die Ablösung der Christusgemeinde von der jüdischen Tempel- und Synagogalgemeinde letztlich unvermeidlich. Diese Trennung war freilich auch insofern unausweichlich, als das Judentum daran festhielt, als Nation das insbesondere erwählte "Volk Gottes" zu sein. Das Judenchristentum erkannte diesem Anspruch bleibende Gültigkeit zu, weshalb es in der Konsequenz für christgewordene Heiden die Beschneidung, also das Jude-Werden, fordern mußte. Eine solche Forderung war aber nicht nur unter missionstaktischem Gesichtspunkt der Ausbreitung des Evangeliums hinderlich, sie wurde vielmehr von der Stephanusgruppe und, ihr folgend, von Paulus, aber auch von der "johanneischen" Linie des Urchristentums grundsätzlich abgelehnt, aus der Einsicht heraus, dass der Gott Israels der Schöpfer und Erlöser aller Menschen sei und dass daher infolge der Christusoffenbarung die Grenze zwischen Juden und Nichtjuden hinfällig wurde, dass also die Verheißungen Gottes für Israel in dieser neuen Einheit eines Gottesvolks aus allen Völkern aufgehen (Röm 15,8 ff.; vgl. Gal 3,28; Eph 2,11 ff.; Offb 5,9f.). 4. Die Eigenständigkeit des Urchristentums gegenüber dem Judentum bedingte die Ausbildung eigener Gemeinschaftsformen (z.B. eigener gottesdienstlicher Versammlungen) und Organisationsstrukturen, ohne die das sich entwickelnde Urchristentum nicht auf längere Sicht lebensfähig geworden wäre. Die Epoche des Urchristentums ist daher auch die Epoche der „Kirchwerdung" der Kirche. Das in diesem Vorgang liegende Problem wird gegenwärtig unter dem Stichwort „Frühkatholizismus im Neuen Testament" diskutiert, wobei von manchen schon die Entwicklung als solche, die auf die frühe katholische Kirche des 2./3. Jahrhunderts hinführte (daher das Stichwort!), als Bewegung des Abfalls vom Wesen der Christusbotschaft angesehen wird. Man sieht entweder die eschatologische Naherwartung so sehr als das Zentrum urchristlichen Glaubens an, dass jede organisatorische Strukturierung der Gemeinden als der Irrweg des „Sich-Einrichtens in der Welt" diskreditiert wird, oder man sieht einen sich ausschließenden Gegensatz zwischen Institutionalisierung der Gemeinde und ihrem Auftrag, dem unbegrenzten Liebeswillen Gottes gemäß zu leben. Dennoch ist die Entwicklung kirchlicher Organisationsstrukturen als unabdingbar und darum auch nicht als grundsätzlich verdächtig anzusehen, so gewiß Fehlentwicklungen (z.B. wurde durch die Entwicklung einer Priesterideologie und - damit verbunden – einer theologisch qualifizierten Führungsschicht autormatisch eine hierarchische Ordnungsstruktur entwickelt, welche fast programmgemäß in eine Gewinnung weltlicher Macht mündete...) nicht zu leugnen sein werden. Andererseits wäre die Urchristenheit ohne die Ausbildung eigener kirchlich-institutioneller Formen zu einer bedeutungslosen Sekte verkommen, wie sie zu tausenden im damaligen römischen Weltreich aufkamen und wieder verschwanden, d.h. das Evangelium Jesu Christi wäre weltgeschichtlich wirkungslos geblieben und damit letztendlich verloren gewesen. Auszugsweise entnommen aus TRT (Lexikon zu Religion und Theologie)
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Last modified Mai 01, 2007 by Thomas Bremer